Kritiken

Die Wirtin von Peter Turrini

Badische Zeitung vom 01.08.2005

Wer braucht schon Männer. Sie sind ja nicht die Allerhellsten, haltlos ihren Trieben nach Frauen, Alkohol und Geld (Reihenfolge beliebig) unterworfen und dabei doch eindimensional pragmatisch. Also führt die schöne Mirandolina lieber selbst ihr Gasthaus im von Laken verhängten Freiburger Rathaushof, verkörpert von einer langbezopften, grazilen und resolut emanzipierten Regine Effinger. Das Adelspack hat sich bei ihr eingenistet wie im Wellness-Park: Marchese Albafiorita (ein wunderbar verhärmter und stolpernder Peter Haug-Lamersdorf) und Graf Forlinpopoli (dickbäuchig und kraftstrotzend, mit glitzernden Brillanten am Finger und Schönheitsfleck im Gesicht) sind zwei männliche Prachtexemplare, die heftig um die Gunst der schönen Wirtin buhlen, aber keine Zechine mehr für sie übrig haben. Selbstverliebte Aufschneider, die es aber in langem Kampf kaum schaffen, ihre Liegestühle aufzubauen. Nur Cavaliere Rippafratta (Hans Poeschl) bringt Eleganz in den Rathaushof, zeichnet sich aber durch rechtschaffenen Frauenhass aus. Doch die patente Mirandolina muss sich nur ein wenig ihre Beine reiben und gutes Essen kochen, da hat sie auch mit seinem Herz leichtes Spiel.


Der österreichische Gegenwartsautor Peter Turrini hat Carlo Goldonis Commedia dell?Arte - Komödie ?Mirandolina? deftig adaptiert: da werden verbal Eier rasiert und kräftig Körperteile befummelt ? und stets ironisch thematisiert, dass es sich hier nur um ein großes Theater im Theater handelt. Großes Theater?


Niemand verheimlicht, dass Turrinis Stück eine echte Schmierenkomödie ist, nach deren Fertigstellung er sogar in eine Schaffenskrise geriet ? aber genau das macht es wunderbar: Regisseur Robert Klatt hat das lustig-leichte Stückchen lustvoll auf die Spitze getrieben. Es ist eine Freude, den beiden ?Schauspielerinnen? Dejanira und Ortensia bei der Verwandlung in Pseudo-Gräfinnen zuzusehen: Gabriele Zink entfaltet ihre komödiantisch-proletarischen Talente als schwarze, geldgierige Suffragette, Sybille Denker als augenrollendes, pseudonaives leichtes Mädchen. Eifrig stecken sie Äpfel ins Dekolleté, zücken Zahnbürsten oder setzen sich bei Zuschauern auf den Schoß. Es ist urkomisch, wie das Ensemble des Wallgrabentheaters in den sonst so ehrwürdigen Rathausgängen mit Playback italienische Schmachtgesänge schmettert, während die Discobeleuchtung zuckt und sie wie Grand-Guignol-Puppen auf- und abtauchen. Worum ging es nochmal? Ach ja, eigentlich ist es ja der pragmatische Kellner Fabrizio (nüchtern und gut: Heinz Drenker), der so gerne Gasthausbesitzer wäre, der hier die Fäden zieht: er stiftet die ?Schauspielerinnen? an, die adeligen Herren abzulenken, damit er selbst das Herz von Mirandolina erobern kann ? nachdem sein erster, zu sachorientierter Versuch schief ging. Denn ein wenig Romantik braucht man als Frau ja schon, und ohne Mann geht?s letztlich auch nicht. Und da ist der bodenständigen Mirandolina wichtiger, von ihresgleichen verstanden zu werden, als sich von degenerierten Grafen umschmeicheln zu lassen ? wahrscheinlich ist das die tiefste Weisheit, die man zum 30. Jubiläum der Rathaushofspiele mit nach Hause nehmen kann. Drei Mal stand in dieser Zeit ?Mirandolina? auf dem Spielplan, erstmals wird die modernisierte Version gegeben. Es ist umso lebensnaheres Volkstheater geworden. Man möchte ihm keine Regenunterbrechung mehr wünschen. Dorothea Marcus (Badische Zeitung)


Wallgraben Theater
Das kleine Schauspielhaus in Freiburg

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